Donnerstag, 25. April 2024

„Trag Corona nicht zu Oma“

Selsingen/Gnarrenburg. Das Wattestäbchen kribbelt ein bisschen in der Nase, das ist nicht angenehm, aber auch nicht schmerzhaft. BZ-Mitarbeiter Michael Brinkmann hat sich am Mittwoch bei einem redaktionellen Termin in der Alten Apotheke in Selsingen spontan selbst auf Corona testen lassen. Dort bietet Inhaberin Britta Schleßelmann mit ihrem Team seit dieser Woche den neuen „Bürger-Schnelltest“ an. Als weitere Apotheke aus der Region ist unter anderem die Sonnen-Apotheke Gnarrenburg von Marco Gudella bei diesem für die Betreiber recht aufwendigen Service dabei.

Nach einigem Hin und Her, Verzögerungen und viel Kritik an Gesundheitsminister Jens Spahn ist das kostenlose Testen nun tatsächlich angelaufen. Seit 8. März hat jeder Bürger einen Anspruch auf einen kostenlosen PoC-Antigen-Test pro Woche. Das sieht die neue Corona-Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums vor. Das kostet den Steuerzahler viel Geld, soll aber helfen, das Infektionsgeschehen einzudämmen, um mittelfristig mehr Lockerungen zu ermöglichen. Als eine von bisher erst wenigen Apotheken im Landkreis (wir berichteten gestern) bietet seit Montag die Alte Apotheke in Selsingen den „Bürgertest“ für ab Zwölfjährige im Moment dreimal pro Woche jeweils vormittags an – „für Menschen, die keine Symptome haben“, wie Britta Schleßelmann betont.

Der Testabstrich wird an der frischen Luft genommen – versteckt hinter einer Stellwand am Seiteneingang. „Selsinger Corona-Schnelltest-Fenster“ haben die Apothekerin und ihre Angestellten den Bereich getauft, den sie extra für die Testungen gestaltet und freigehalten haben. In der Alten Apotheke besteht er allerdings schon seit mehreren Wochen, denn in Selsingen gibt es Testmöglichkeiten bereits seit Januar – bisher kostenpflichtig. „Wir haben uns mit dem Thema sehr früh beschäftigt und deshalb schon eine gewisse Erfahrung“, sagt Britta Schleßelmann. Sie könne aber jeden Kollegen verstehen, der auf ein solches Testangebot verzichtet, denn Aufwand und Anforderungen seien nicht zu unterschätzen. Ihr und dem gesamten Apothekenteam sei das Mitmachen jedoch ein besonderes Anliegen.

Das zeigt sich allein schon darin, dass aus zunächst drei für die Testabstriche geschulten Mitarbeiterinnen inzwischen acht geworden sind. Und die übernehmen diese Aufgabe in Zweier- oder Dreierteams außerhalb ihrer geregelten Arbeitszeit. Denn: „Im normalen Apotheken-Betrieb sind die jeweils zwei Stunden montags, mittwochs und freitags nicht zu leisten. Ohne meine Kolleginnen und deren Bereitschaft, hier einzuspringen, wenn sie normalerweise frei haben, würde das Ganze nicht funktionieren“, sagt die Inhaberin, die ihr Angebot an die jeweilige Nachfrage anpassen und gegebenenfalls erweitern will. „Wir entscheiden jeden Freitag neu, wie es in der Folgewoche sein wird. Die Testzeiten stehen auf der Homepage und auf dem Aushang im Fenster“.

Motto und Motivation zugleich sei aktuell vor allem der Hashtag „Trag Corona nicht zu Oma“, sagt Britta Schleßelmann. Mit einem negativen Testergebnis könnten Menschen ihre Angehörigen mit einem „besseren Gefühl und weniger schlechtem Gewissen besuchen“. Und weil insbesondere zu Ostern Familienzusammenkünfte stattfinden werden, habe sie sich entschlossen, ihr „Corona-Testfenster“ auf jeden Fall auch am Ostersamstag zu öffnen. „An die Regeln muss man sich aber natürlich trotzdem halten, ein Test kann auch mal falsch negativ sein“, wenngleich die von ihr verwendeten Sars-Cov2-Testkits der Firma Roche bei über 95 Prozent ein richtiges Ergebnis anzeigten. Anders als beim sogenannten Selbsttest für den Privatgebrauch, wird bei diesem Verfahren der Abstrich deshalb tief hinten im Rachen genommen. „Da kriegt man eben am besten diese Viren zu fassen“, erklärt Schleßelmann mit dem Hinweis, dass die Aussagekraft eines solchen Testergebnisses immer zeitlich begrenzt sei.

„Gern einen Beitrag leisten“
Doch auch wenn also ein negatives Testergebnis immer nur eine Momentaufnahme ist, hat die Selsingerin „nicht nur den Besuch bei Oma und Opa“ im Blick, sondern auch weitergehende Lockerungen der Corona-Maßnahmen und ihre Gemeinde. In absehbarer Zeit könnte ein Schnelltest „auch eine Eintrittskarte“ etwa fürs Restaurant, die Kneipe oder den Einzelhandel werden. „Und wenn das der Beitrag ist, den ich hier für Selsingen leisten kann, dann will ich das gerne tun“, sagt die 39-Jährige. Mit der bisherigen Resonanz sei sie zufrieden. Sie hoffe, dass in den nächsten Tagen und Wochen ganz viele diese Möglichkeit nutzen werden. Denn ein Aspekt ist aus ihrer Sicht ebenfalls wichtig: „Wenn wir beim Testen jemanden finden, der sich gut fühlt, aber dennoch positiv ist, können wir Infektionsketten unterbrechen“.

Bis allerdings zu Beginn dieser Woche der erste Gratis-Test gemacht werden konnte, war eine Menge Vorarbeit zu leisten, denn lange war nicht geklärt, wie in den einzelnen Bundesländern die Teststrategie außerhalb der Testzentren umgesetzt werden soll. Mittlerweile sind Rahmenverträge mit dem Land abgeschlossen, Landkreis und Apotheken beigetreten. Klar ist auch: Die Abrechnung soll über die Kassenärztliche Vereinigung laufen. „Wie das aber dann genau funktioniert, weiß ich momentan noch nicht. Das ist schon ein bisschen eigenes Risiko. Der jetzige Stand ist, dass wir es Quartalsweise vorfinanzieren“, erklärt die Apothekerin. Und sie sagt: „Reich wird man damit nicht.“ Pro Test sollen die Apotheker in Niedersachsen nach derzeitigem Stand zwölf Euro brutto vergütet bekommen. Ärzte erhalten 15 Euro. Diese Summe wird in Bayern – im Gegensatz zu Niedersachsen – auch den Apotheken gezahlt, weil dort das Land drei Euro zuschießt.

Britta Schleßelmann hält die Höhe der Vergütung auf keinen Fall für zu hoch, da es allein mit der Entnahme der Probe aus dem Rachenraum nicht getan sei. Denn: Im Anschluss stünden unter anderem Prüfung im Testkit, Einscannen des Anmeldeformulars oder Versendung einer passwortgeschützten PDF-Datei mit der Ergebnis-Dokumentation an die getestete Person an. Das koste Zeit und Personal. Den Aufwand sei es jedoch wert. „Meine Motivation ist, dass es in Sachen Corona irgendwie vorangehen soll“, sagt Britta Schleßelmann.

Eine Liste der Test-Apotheken ist unter www.lk-row.de/coronatest auf der Internetseite des Landkreises zu finden.

Teilnehmende Arztpraxen findet man unter www.arztauskunft-niedersachsen.de. Dort kann eine Kommune ausgewählt werden. Über das Feld „Besonderheit“ wird dort „Corona-Schnelltest“ ausgewählt, dann werden die Praxen mit Testmöglichkeiten angezeigt.

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