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Serienmörder Fritz Haarmann: „Werwolf von Hannover“ tötete 24 junge Männer

Vor 100 Jahren wurde Fritz Haarmann hingerichtet – ein Serienmörder, dessen Taten bis heute schockieren. Was macht den „Werwolf von Hannover“ zum Symbol für das Böse – und warum bleibt die Faszination ungebrochen?

 Die Lichtbildmappe in der Mordsache Fritz Haarmann wird im Polizeimuseum Niedersachsen gezeigt.

Die Lichtbildmappe in der Mordsache Fritz Haarmann wird im Polizeimuseum Niedersachsen gezeigt. Vor 100 Jahren tötete der Serienmörder Haarmann mindestens 24 junge Männer. Foto: Sina Schuldt/dpa

In der Nacht starrten ihn beleuchtete Schädel aus den Ecken seiner Gefängniszelle an, die Augenhöhlen mit rotem Papier beklebt. In einem Winkel der Zelle lag ein Sack mit Menschenknochen. Derart mürbe gemacht, gab Fritz Haarmann die grausige Wahrheit schließlich zu: Er war es, der als „Werwolf von Hannover“ mindestens 24 Jungen und junge Männer bestialisch getötet hatte.

Serienmörder Fritz Haarmann: „Ein mediales Großereignis“ – damals wie heute

Doch so schaurig es war, bald sang man auf der Straße Lieder über den unheimlichen Mörder, zu einer damals populären Schlagermelodie: „Warte, warte nur ein Weilchen, bald kommt Haarmann auch zu dir.“ Vor 100 Jahren wurde der Serienmörder hingerichtet.

„Dieser Fall ist für mich immer ein gewisses Rätsel geblieben“, sagte der wissenschaftliche Leiter des Polizeimuseums in Nienburg, Dirk Götting. Es sei eigenartig, dass der Fall des pädophilen Serienmörders „über die Jahre einen solchen Status bekommen“ habe: „Es ist immer ein mediales Großereignis gewesen.“ Eine morbide Faszination bleibt – offensichtlich.

Vom Totmacher bis zur Stadtführung – Haarmann als Kultfigur

Denn der beispiellose Fall fesselt wohl auch Künstler - Götz George verkörperte Haarmann 1995 in dem preisgekrönten Kinofilm „Der Totmacher“, entstanden anhand der protokollierten Gespräche, die der Psychiater Ernst Schultze mit Haarmann führte.

Fritz Haarmann (M, undatiertes Archivbild) ermordete in den 1920er Jahren in Hannover mindestens 24 Jungen und junge Männer.

Fritz Haarmann (M, undatiertes Archivbild) ermordete in den 1920er Jahren in Hannover mindestens 24 Jungen und junge Männer. Foto: ---/dpa/dpa-tmn

Am Schauspiel Hannover gab es ein Musical, der Fall Haarmann wurde darüber hinaus literarisch verarbeitet, etwa als Graphic Novel. In Hannover gibt es zudem Stadtführungen auf den Spuren des 1879 geborenen Verbrechers. Und: Der Serienmörder mit dem Hackebeil tauchte in Hannover als Figur auf einem Adventskalender auf.

Verbrechen zwischen 1918 und 1924 – Opfer meist junge Männer

Schon früh wurden die unfassbaren Verbrechen Haarmanns auf Ausstellungen präsentiert: 1926 gab es eine große Polizeiausstellung in Berlin - dort zeigte die Polizei Hannover das Haarmann-Zimmer aus der Roten Reihe, wie Götting sagte. Unter anderem an dieser Adresse in Hannover wohnte der Serienmörder.

Was weiß man über den Fall? Zwischen 1918 und 1924 ermordete der polizeibekannte Kriminelle männliche Jugendliche und junge Männer im Alter zwischen 10 und 22 Jahren. Haarmann erdrosselte seine Opfer oder biss ihnen - womöglich in Ekstase - die Halsschlagader durch. Viele waren Ausreißer und wurden in den Wirren der Nachkriegszeit zunächst nicht vermisst. Die Leichen zerstückelte er und warf sie in die Leine, die Kleidung verkaufte er. Als Kinder am Ufer der Leine im Frühjahr 1924 Knochen fanden, waren dies erste Hinweise auf die Mordserie.

Blick auf den Fluss Leine.  An der Leine fanden Kinder einst Knochen. Dadurch wurde die Mordserie von Fritz Haarmann erstmals ruchbar.

An der Leine fanden Kinder einst Knochen. Dadurch wurde die Mordserie von Fritz Haarmann erstmals ruchbar. Foto: Wolfgang Stelljes/dpa

Fritz Haarmann: Polizeispitzel mit Doppelleben

Am 22. Juni 1924 wurde er festgenommen - zunächst nur, weil er mit einem Jugendlichen in Streit geraten war. Die Polizei fand bei der Durchsuchung seiner Wohnung Hinweise auf die Verbrechen, darunter Blutspuren und blutbefleckte Kleidungsstücke junger Männer. Allerdings gab es lange vorher Hinweise - zum ersten Mord Haarmanns soll es schon 1918 gekommen sein. Nur: Hinweise aus der Bevölkerung kannte man nicht im Kaiserreich, sie wurden nicht ernst genommen, wie Götting erklärte.

Die Lichtbildmappe in der Mordsache Fritz Haarmann wird im Polizeimuseum Niedersachsen gezeigt.

Das Interesse an berüchtigtem Serienmörder Fritz Haarmann ist ungebrochen. Foto: Sina Schuldt/dpa

Dazu kam: Der bekannte Kleinkriminelle diente der Polizei als Spitzel. Fritz Haarmann versorgte die Behörde nach dem Ersten Weltkrieg mit Informationen aus dem Rotlichtmilieu. Hinweisen auf Haarmann als Täter ging die Polizei daher zunächst nicht nach - man kannte sich schließlich. Als die Beweise eindeutig waren, wurde er festgenommen und sogar gefoltert, wie Götting sagte.

Zelle, Beil und Urteil – das Polizeimuseum Nienburg zeigt die Geschichte

Im Polizeimuseum in Nienburg ist unter anderem der Nachbau einer Zelle des Polizeigewahrsams in Hannover in der Weimarer Republik zu sehen. Dort saß Haarmann nach seiner Verhaftung ein. Auch ein Beil wird gezeigt. Dessen Provenienz sei aber fragwürdig, bei einer forensischen Untersuchung vor 25 Jahren seien keine Spuren gefunden worden, sagte der Polizeihistoriker.

Das mutmaßliche Tatwerkzeug des Massenmörders Fritz Haarmann wird im Polizeimuseum Niedersachsen gezeigt.

Mit einem Hackbeil soll Massenmörder Fritz Haarmann seine Opfer zerstückelt haben. Foto: Sina Schuldt/dpa

Haarmann gestand schließlich nach tagelangem Verhör. Der Psychiater Ernst Schultze sollte untersuchen, ob er zurechnungsfähig war - und kam zu dem Schluss, dass Haarmann für seine Taten verantwortlich war. Im Dezember 1924 verurteilt das Landgericht Hannover den Serienmörder zum Tode, am 15. April 1925 wurde er enthauptet. Sein in Formalin eingelegter Kopf lagerte lange in der Göttinger Rechtsmedizin und wurde erst 2014 eingeäschert und anonym bestattet.

Wie viele Menschen tötete Haarmann wirklich?

Prozess und Urteil sorgten immer wieder für Kritik: An der Zurechnungsfähigkeit Haarmanns zum Zeitpunkt der Morde hätte zumindest gezweifelt werden müssen, schrieb Christine Pozsár, Expertin für forensische Psychiatrie, in „Die Haarmann-Protokolle“. Seine Steuerungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Taten dürfte zumindest erheblich eingeschränkt gewesen sein. Misshandlungen Haarmanns in seiner Kindheit kamen demnach kaum zur Sprache, Krampfanfälle und mögliche organische Schäden nach einer Hirnhautentzündung auch nicht.

Vieles dürfte für immer ungeklärt bleiben: Kannibalismus wurde Haarmann vorgeworfen, aber nie nachgewiesen. Fraglich bleibt auch, wie viele Menschen Haarmann tatsächlich getötet hatte. Götting: „Es spricht sehr viel dafür, dass die Zahl höher ist als die, für die er verurteilt wurde.“ (fk)

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