Bremerhaven

Linken-Fraktion Bremerhaven zerbricht – „Möwen“ gründet sich – Reaktionen

In die Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven kommt erneut Bewegung: Die Fraktion der Linken zerfällt, nur Muhlis Kocaağa bleibt übrig. Er ist enttäuscht. Eine neue Fraktion entsteht aus Einzelstadtverordneten. Was die „Möwen“ erreichen wollen.

Die Linke (links Einzelstadtverordneter Muhlis Kocaaga) ist keine Fraktion mehr. Eine neue Fraktion hat sich gegründet. Francesco Secci (oben), Petra Brand (Mitte) und Marnie Knorr (rechts) sind Mitglieder.

Die Linke (links Einzelstadtverordneter Muhlis Kocaaga) ist keine Fraktion mehr. Eine neue Fraktion hat sich gegründet. Francesco Secci (oben), Petra Brand (Mitte) und Marnie Knorr (rechts) sind Mitglieder. Foto: privat/Collage: Schnibbe

Lange war in der Stadtverordnetenversammlung nicht so viel Bewegung wie in dieser Legislaturperiode. Jetzt gibt es Austritte bei den Linken und eine neue Fraktion: die Möwen.

Petra Brand und Francesco Secci verlassen die Fraktion der Linken. Übrig bleibt nur Muhlis Kocaağa. Dritte im Bunde der „Möwen“ ist die Einzelstadtverordnete Marnie Knorr.

Cafer Isin und Muhlis Kocaaga reagieren auf den Austritt in einer Stellungnahme. Darin steht: „Dadurch ist die Stadtverordnetenfraktion aufgelöst und muss nun voraussichtlich in Liquidation gehen.“

Linke sind menschlich enttäuscht und fordern die Mandate zurück

Die ehemaligen Parteifreunde nehmen die Entscheidung nicht gut auf. Muhlis Kocaaga spricht von einer nicht nachvollziehbaren Entscheidung und einer menschlich großen Enttäuschung: „Ich bin entsetzt über die politische Verantwortungslosigkeit, gegenüber dem Auftrag unserer Wähler und Wählerinnen, für soziale Gerechtigkeit in Bremerhaven einzustehen.“ Er sehe trotzdem eine Chance auf Neustart für die Linke.

Kreissprecher Cafer Isin fordert die Ex-Linken auf, die über die Liste der Partei gewonnenen Mandate zurückzugeben: „Politische Mandate dürfen nicht als private Verfügungsmasse behandelt werden.“

Die Stadtverordneten wollen ihre Mandate behalten und gründen eine neue Fraktion. Die Fraktion „die Möwen“ besteht nach eigener Aussage aus unabhängigen Stadtverordneten, die für „frischen Wind, ein gesundes Maß an Eigensinnigkeit, Mitgefühl und klare optimistische Perspektiven“ stehen. Ihre Werte seien Freiheit, gleiches Recht für alle, und die Verantwortung für Mensch und Umwelt.

Man wolle ohne parteipolitische Zwänge agieren

In einem Papier zur neuen Fraktion heißt es, man wolle „Freiheit mit Wurzeln und Flügeln“ vertreten. Das bedeute, man wolle, Lösungen finden, anstatt in endlosen Debatten in der Stadtverordnetenversammlung stecken zu bleiben. Und: Man wolle ohne parteipolitische Zwänge agieren.

„Ich bin 75 Jahre und seit Mitte der 1990er Jahre stadtpolitisch aktiv in Parteien. Jetzt möchte ich etwas Neues ausprobieren“, erklärt Petra Brand.

Die Bremerhavenerin war lange bei den Grünen, hat sie auch in der Stadtverordnetenfraktion zweimal vertreten. Seit vielen Jahren war sie für die Linke politisch aktiv, die sie jetzt verlassen hat.

Kein Zerwürfnis, aber Austritt bei den Linken

Auch wenn die Ex-parteikollegen sauer sind. Es habe kein Zerwürfnis mit Kocaağa gegeben, betont Brand. „In jeder Partei wird mal gestritten.“ Doch sie wolle jetzt ohne parteipolitische Zwänge arbeiten. Secci sei es ähnlich gegangen.

Auch Einzelstadtverordnete Marnie Knorr möchte mit den „Möwen“ etwas Neues probieren: Zusammenarbeit, aber ohne einer Partei beizutreten. Sowohl Knorr als auch Brand beklagen zudem, dass die Rechte der Einzelabgeordneten massiv beschnitten wurden, das sei „höchst undemokratisch“.

Einzelstandverordnete sind in ihren Rechten beschnitten worden

Einzelstadtverordnete haben kein Stimmrecht mehr in Ausschüssen. Bringt ein Einzelstadtverordneter einen Antrag ein, darf er oder sie sich in der folgenden Debatte nicht mehr äußern. Auch diese Hintergründe seien ein Argument für einen neuen Zusammenschluss gewesen.

Brand und Knorr betonen beide, dass zwischen ihnen bereits ein Vertrauensverhältnis bestanden habe. Auch mit Secci habe Knorr Gemeinsamkeiten, etwa durch umweltpolitische Arbeit in der Stadt. Darauf wolle man aufbauen.

In dieser Legislaturperiode gab es bereits viele Wechsel

Seit Beginn der Legislaturperiode hat es schon viele Wechsel in der Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven gegeben.

Sven Lichtenfeld musste „Bündnis Deutschland“ wegen Nähe zu möglichen Rechtsextremisten verlassen und ist Einzelstadtverordneter. Auf Landesebene ist er der AfD beigetreten.

Zuletzt ist Claas Schott von den Grünen zur CDU gewechselt. Zuvor hatte Einzelstadtverordneter Carsten Baumann-Duderstaedt (Die Partei) ein Fraktions-Bündnis mit den Grünen geschlossen. Und: Miriam Gieseking hat ihr Grünen-Mandat zurückgegeben.

Eine Fraktions-Neugründung hat es auch bereits gegeben. „Wir für Bremerhaven“ besteht aus Dieter Schumacher, Bianca Ax, Claudia Baltrusch (alle zuvor „Bündnis Deutschland“) und Kevin Schäfer (zuvor AfD). Nur Sascha Schuster (Ex-BD) macht allein als Einzelstadtverordneter weiter.

Maike Wessolowski

Reporterin

Maike Wessolowski wurde in Remscheid geboren. Die ausgebildete Reiseverkehrskauffrau und Reporterin lebte und arbeitete in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen, bis sie 2018 in Bremerhaven festmachte. An der Region schätzt sie: Menschen, Maritimes, Möglichkeiten.

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