In Bremerhaven gibt es rund 300 Problemimmobilien, davon sind gut 100 leerstehend, 30 komplett verwahrlost. Seit Jahren schlägt sich der Magistrat mit diesen Schandflecken herum, die eine Wohngegend komplett herunterziehen können. Schrottimmobilien gammeln vor sich hin, Passanten sind durch herabstürzende Gebäudeteile gefährdet. Vergammelte Häuser werden zum Teil günstig gekauft, minimal mit dem Farbeimer optisch renoviert und anschließend an Empfänger von Bürgergeld vermietet, bei denen das Jobcenter die Miete überweist. Immer wieder gibt es Forderungen, mit Enteignungen dem Spuk ein Ende zu bereiten.
Bislang keine Enteignungen in Bremerhaven
Obwohl es viele Schrottimmobilien gibt, hat der Magistrat noch nie zu diesem Mittel gegriffen. Zuletzt betonte Baustadtrat Maximilian Charlet (CDU) auf Nachfrage der Linken in der Stadtverordnetenversammlung, dass sich die Stadt bislang noch keine Kriterien für Enteignungen gegeben habe. Man verfolge einen anderen, ganzheitlichen Ansatz, der auf Kooperation setze. „Wer nur auf Kooperation setzt, anstatt konsequent bestehendes Recht anzuwenden, der kann dann auch am Ende keine Enteignung vornehmen“, kritisiert Sofia Leonidakis den Magistrat. Denn eine Enteignung sei erst dann möglich, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft worden seien, betont die Fraktionsvorsitzende der Linken in der Bürgerschaft.
Ihre Fraktion hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die rechtlichen Möglichkeiten einer Enteignung beleuchtet. Das hat der Bremer Rechtsanwalt für Mietrecht und Berater bei „Mieter helfen Mietern“, Enno Hinz, erstellt. „Die Möglichkeiten für Enteignung sind sehr eingeschränkt“, sagt er. Aber es gebe sie, und sie müssten besser ausgeschöpft werden.
Das Baugesetzbuch als effektiver Hebel
Hinz verweist auf das Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot nach Paragraf 177 des Baugesetzbuchs. Bei verwahrlosten, aber noch bewohnten Immobilien könnten Behörden unmittelbar eingreifen, wenn Mängel gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse beeinträchtigen. Dabei ist es egal, ob ein Bebauungsplan vorliegt. „Ihre praktische Relevanz ist hoch“, sagt er. Das Baugesetzbuch biete aber auch die Möglichkeit, unbewohnbare Häuser zu enteignen, wenn die Nutzung nicht mehr dem Bebauungsplan entspricht.
Das Bremische Wohnaufsichtsgesetz ist für den Rechtsanwalt ebenfalls eine praxistaugliche Grundlage für das behördliche Handeln. Wenn der Hausbesitzer trotz Anordnungen zur Mängelbeseitigung nichts unternehme, ermögliche es die Einsetzung eines Treuhänders, der sich dann auf Kosten des Eigentümers um die Immobilie kümmere und Mängel beseitige.
Am Ende könnte die Enteignung folgen
Beide Rechtsgrundlagen seien effektive Mittel im Kampf gegen Schrottimmobilien. Bislang seien diese Mittel aber unzureichend ausgeschöpft worden. Bei konsequenter Anwendung könnte am Ende in Ausnahmefällen auch eine Enteignung stehen, sagt der Jurist.
Für Leonidakis stecken hinter Schrottimmobilien und unzumutbaren Wohnungsbedingungen Geschäftsmodelle mit System. Sie fordert die konsequente Anwendung der Gesetze, aber auch deren Ausweitung. „Wir müssen die Rechte der Mieter vor skrupellosen Vermietern schützen“, betont sie.